Axel Rudi Pell & The Unity v Aladin Music Hall
KNIGHTS CALL TOUR 2018 PART 2
„Ich habe lieber jahrelang konstanten Erfolg als nur ein Hit-Album, an dem mich alle ständig messen.“ Axel
Rudi Pell muss es wissen. Immerhin dauert seine Solokarriere beinahe drei Jahrzehnte. Im internationalen
Hardrock-Universum ist Pell ein Phänomen. Ein Musiker, der unter dem Radar fliegt, aber keineswegs
unsichtbar ist. Ein ehrlicher Handwerker, der eben dieses noch von der Pike auf gelernt hat.
Schreibblockaden kennt er nicht, Wellenreiterei mag er nicht. Der alte Werbeklassiker trifft auch auf Pell zu:
Da weiß man, was man hat. Der Nachfolger von „Game Of Sins” (2016 auf Platz 11 der deutschen Charts)
heißt „Knights Call“ und ist das 17. (in Worten: siebzehnte!) Studioalbum des Gitarristen. Allein diese
Tatsache spricht für sich und die Konstanz, mit der er seit 1989 Alben auf den Markt bringt. Alle sind übrigens
bei ein und derselben Plattenfirma erschienen und haben weltweit über 1.5 Millionen Käufer gefunden. Aber
das ist kein Grund, sich auf diesem Erfolg auszuruhen. „Warum sollte ich aufhören?“, fragt der 57-Jährige
und gibt sich selbst die Antwort: „Solange ich das machen kann, was mir am meisten Spaß macht, bin ich
zufrieden.“ Im Prinzip lebt Pell ein Leben, von dem andere nur träumen: Er hat nicht nur sein Hobby zum
Beruf, sondern daraus auch gleichzeitig eine Berufung gemacht. Seine Leidenschaft treibt ihn an, er istständig auf der Suche nach dem besseren Chorus, der besseren Bridge, dem besseren Solo, dem besseren
Song. „Komponieren ist wie vieles im Leben, entweder man kann es oder man kann es nicht.“ Er vertraut
sich, aber auch seinem deutsch-amerikanischem Team um Sänger Johnny Gioeli und Drummer Bobby
Rondinelli. Und dazu zählt er auch seine Fans. „Das direkte Feedback ist wichtig, Pell nur im Studio wäre
langweilig.“ Bei manchen Stücken hat er die Liveatmosphäre direkt im Kopf. „Beim Opener ‚The Wild And
The Young’ wusste ich sofort, dass er der richtige Einstieg in das Album ist.“ Und er gibt auch die Richtung
vor: ARP 2018 setzt auf mehr Groove, mehr Melodien und mehr Abwechslung. Die Mischung aus Mittelalter-
Mystik und Fantasie-Folklore ist nach wie vor vorhanden, aber es wurde hier und da an kleinen Schräubchen
gedreht. Pells Riffs sind zweidimensionaler geworden, erinnern wie in ‚Follow The Sun‘ manchmal an die
Entwicklung des Altmeisters Tony Iommi in den Achtzigern, als dieser sich erfolgreich aus dem Black
Sabbath-Korsett befreite. „Es hat mich selbst überrascht, wie einfach das ging.“ Ein Shuffle wie in ‚Wildest
Dreams‘ mit seinem Stadion-Schluss-Chor hat es so noch nicht gegeben, einen 4/4-Stampfer wie ‚Long Live
Rock‘ seit ‚Rock The Nation‘ von „Mystica“ (2006) auch lange nicht mehr. Das in der Mitte des Albums
eingestreute Instrumental ‚Truth And Lies‘ mit seiner einprägsamen Tonfolge zeigt einmal mehr, wie sehr der
Gitarrist mit seinem Instrument verwachsen ist. Die typischen ARP-Epen sind natürlich auch wieder vertreten,
die zwischen 8 (‚The Crusaders of Doom‘) und knapp 10 Minuten (‚Tower Of Babylon‘) langen Werke zeigen
eine weitere Pell-Passion: „Ich mag es, wenn man sich in einem Song richtig fallen lassen kann. Mir geht es
dabei gar nicht darum, mehr Zeit für meine Soli zu haben, sondern darum, Atmosphäre zu kreieren.“ Dass
er dabei nicht auf Balladen verzichten kann, dürfte jedem Fan mittlerweile klar sein. Dieses Mal heißt der
Magnus Opus ‚Beyond The Light‘. Für die Backing Vocals kam für Pell nur eine Frau in Frage: Die seit 30
Jahren in Bochum beheimatete US-Sängerin Pamela Falcon garantiert einen weiteren Gänsehaut-Moment
auf „Knights Call“. Aber ein mildes Alterswerk klingt anders, denn wenn Pell zum Text zu „Slaves On The
Run“ ausholt, kommt das Kind der Sechziger in ihm durch: „Sind wir nicht alle auf irgendeine Art und Weise
Sklaven? Rockmusik stand schon immer für Selbstbestimmung und Freiheit, aber irgendwie scheint das alles
in Vergessenheit geraten zu sein. Jeder schaut heutzutage nur auf den schnellen Erfolg, jeder bemüht sich
um Aufmerksamkeit, ist ständig online, für ein paar jämmerliche Klicks und Likes. Wir sind unterwegs, ohne
anzukommen. Ob das der wahre Sinn hinter allem ist, wage ich zu bezweifeln."